( zurück )

( Fortsetzung )

Das Jellinek-Schema


Die Anfangsphase (B.)


Die Anfangsphase ist dadurch gekennzeichnet, daß der Alkohol seinen Charakter als Genußmittel für den Abhängigen noch weiter verliert und nun mehr und mehr einen Stellenwert als universelles Hilfs- und Heilmittel erhält.
Gleichzeitig beginnt der Umgang mit Alkohol und das Verhalten des Betroffenen
in diesem Zusammenhang immer mehr von dem in der Gesellschaft üblichen
Muster abzuweichen.


1.    Gedächtnislücken

Unter der Wirkung von Alkohol kann es zu Gedächtnislücken (sog.
Erinnerungslücken, Filmrisse, Amnesien) kommen. Sie sind daran erkennbar,
daß es dem Betroffenen schwerfällt oder ganz und gar unmöglich ist,
sich an Tätigkeiten oder Begebenheiten zu erinnern, die während dieses
Zustandes verrichtet wurden bzw. vorgefallen sind. Manchmal jedoch ist es noch möglich, durch Hinweise von anderen, Erinnerungsfetzen oder noch auffindbaren Spuren, die fehlenden Gedächtnisinhalte zumindest teilweise zu rekonstruieren.
Gedächtnislücken können auch ohne äußere Anzeichen von Trunkenheit auftreten, wobei sogar eine vernünftige Unterhaltung geführt oder schwierige Arbeit
geleistet werden kann, ohne daß später eine Erinnerung daran vorhanden ist.


2.    Heimliches Trinken

Aus dem Unterbewußten heraus entwickelt sich bei dem Betroffenen die vage
Vorstellung, daß er Alkohol anders als andere trinkt. Um nun zu verhindern,
daß andere  die Menge oder Häufigkeit oder Zeitpunkt und Anlaß seines Trinkens bemerken, bemüht er sich z.B. im täglichen Alltag, vor, während oder nach
Geselligkeiten unbemerkt zu trinken oder auch Alkohol unauffällig zu besorgen bzw. Flaschen zu entsorgen. Im Gespräch wird die Trinkmenge heruntergespielt
oder verleugnet, unter den Augen anderer werden „vorzeigbare" Trinkmengen
konsumiert oder Abstinenz vorgeführt. Je nach Lebenssituation kann es auch
jetzt schon vorkommen, daß Alkohol versteckt wird.


3.    Häufiges Denken an Alkohol

Da der Alkoholiker sich inzwischen daran gewöhnt hat, Alkohol sowohl in
Belastungssituationen als auch als Verstärker positiver Stimmungslagen
einzusetzen, taucht der Gedanke an Alkohol nun immer häufiger in Verbindung
mit unterschiedlichen Lebenssituationen auf. Dabei muß dies vom Betroffenen nicht bewußt registriert werden. So wird z.B. die Freude auf den Feierabend mit dem Gedanken an einen Drink verknüpft oder eine Einladung zu Geselligkeiten
dahingehend geprüft, ob der Gastgeber genügend Alkohol zur Verfügung stellen wird.


4.    Verstärktes Verlangen nach Wirkung (gieriges Trinken)

Um die Alkoholwirkung möglichst schnell zu erreichen, geht der Betroffene mehr und mehr dazu über, die ersten Gläser möglichst schnell zu trinken und/oder
immer weniger auf eine genußvolle Gestaltung des Trinkens zu achten.
So kann es z.B. sein, daß er in hastigen Zügen oder direkt aus der Flasche trinkt
oder daß er statt zu Bier oder Wein gleich zu  hochprozentigem Alkohol greift.


5.    Schuldgefühle wegen der Trinkart

Wenn dem Betroffenen bewußt wird, daß sich sein gesamtes Trinkverhalten (Häufigkeit und Trinkart) von dem anderer unterscheidet, können bereits zu
diesem Zeitpunkt mehr oder weniger vage Schuldgefühle und Selbstvorwürfe
auftreten, die zwar eine verstärkte gedankliche Beschäftigung mit Alkohol,
jedoch keine konkrete Verhaltensänderung bewirken.


6.    Vermeiden von Anspielungen auf Alkohol

Aus dem oben beschriebenen Schuldgefühl heraus oder auch unbewußt neigt der Betroffene dazu, Gesprächen oder Medieninformationen über Alkohol und
Suchtthematik auszuweichen. Eine Auseinandersetzung mit von wohlmeinenden Freunden oder Familienmitgliedern zur Verfügung gestelltem Informationsmaterial zu dieser Thematik vermeidet er. Sein gesamtes Verhalten zielt darauf ab, seinen Kenntnisstand zu dieser Thematik möglichst gering zu halten
oder aber sich nur im Verborgenen zu informieren.


7.    Gehäufte Gedächtnislücken

Bereits gegen Ende der Anfangsphase kann es zu einer allmählichen aber
deutlichen Häufung der Gedächtnislücken bei Alkoholabhängigkeit kommen.